Texte und Übungen aus Rundbriefen 2024

1. Kleiner Aufruf zur Besinnung

Ja, es ist Zeit aufzustehen.
Wir sollten es nicht länger dulden, dass geistig Blinde wieder die Macht ergreifen. Ich weiß, das Schädliche zu erkennen ist schwierig. Angesichts der Krisen der Menschheit findet es großen Beifall die „Schuld“ den demokratisch gewählten Regierungen zu geben. Immer mehr Menschen glauben den Parolen, dass unsere große Errungenschaft eines freien Journalismus eine Lügenpresse ist, dass es den Klimawandel nicht gibt und dass Flüchtlinge und Emigranten uns Deutschland wegnehmen. Wir wollen kein altes nationales Denken und ein Zurück zu autoritären Systemen, denn es führt letztlich und immer wieder zur Unterdrückung der Freiheit, schafft neue Kriege und Zerstörung.

Mehr als ein halbes Jahrhundert hatten viele gehofft, dass die Entfaltung eines friedlichen Zusammenlebens der Staaten, Respektierung der Ländergrenzen und die Entfaltung eines höheren Bewusstseins in uns Menschen möglich ist und vielfach auch schon entstanden sei. Nun sehen wir, dass überall Kräfte und Bewegungen der Verblendung stark werden, die unsere liberale Demokratie bedrohen. Wir sollten es nicht hinnehmen, dass Werte der Aufklärung und Menschenrechte, sowie Wege der Verhandlung und Versöhnung als sinnlos und naiv dargestellt werden.

Wachen wir auf und praktizieren wir, neben Meditation und Kontemplation, mehr Achtsamkeit für Wege zum äußeren, beständigen Frieden.

Wir sollten uns besinnen und an Menschen wie Martin Luther King, Nelson Mandela und Thich Nhat Hanh, um nur drei zu nennen, orientieren. Wir müssen aufstehen und ein Zeichen setzen, dass wir immer noch (hoffentlich) die Mehrheit sind. Wir müssen unsere liebevolle aber starke Stimme erheben, indem wir demonstrieren und aufklären, wo es geht.

Jeder einzelne Mensch, den wir für den Weg der Bewusstwerdung gewinnen, ist wichtig. Jeder, der versteht, dass Regierungen keine Wunder vollbringen können und aufhört alles zu verurteilen und stattdessen beginnt, das eigene Potenzial zu entwickeln und in die Gemeinschaft zu bringen, ist ein Gewinn. Diejenigen, die auch echten Frieden und gute Bedingungen wünschen, sollten wir für den mühsamen Weg des eigenen Denkens und Bewusstwerdens gewinnen. Diejenigen, denen es nur um Macht, Einfluss und Egoismus geht, sollten wir an ihrer Sprache und ihrem Handeln erkennen und nicht mehr wählen.

Sich der eigenen Vernunft zu bedienen, Demokratie zu leben, Freiheit zu geben, tolerant zu sein und zugleich Grenzen zu setzen, das ist nicht so einfach. Es ist oft ein anstrengender Prozess, doch der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden. Ja auch wir „Vernünftigen“ müssen einsehen, dass wir nicht alles besser wissen, müssen uns mit unseren Schwächen befassen, müssen angesichts der neuen Herausforderungen flexibel sein und nach neuen Lösungen suchen, die nicht immer angenehm sein können.

Ja, es ist genug und wir dürfen nicht länger schweigend zusehen, wie unser Ringen um Wahrheit und Gerechtigkeit als dumme Schwäche und Versagen dargestellt wird. Versuchen wir unser eigenes Denken, Reden und Handeln frei von Hass und Gier zu machen und in diesem Geist aufzustehen, um gemeinsam das Wunder des Lebens zu schützen und für friedliche Prozesse in Familien und Gemeinschaften zu sorgen.

Thich Nhat Hanh sagte: „Wenn wir weiterhin so leben wie im Augenblick, welche Welt hinterlassen wir eigentlich unseren Kindern? Hinterlassen wir überhaupt eine Welt für sie?“

2. Der ganze Weg

Jeder Mensch befindet sich auf einem Weg. Von Geburt an muss man „gehen“, alles wächst ständig, vergeht auch wieder, wird vom Lebensimpuls getrieben, immer weiter. Selbst wenn man meint steckengeblieben zu sein, geht die Bewegung voran, man wird geschoben und gedrängt, oder begleitet und geführt, dem Ende der jetzt erlebten Existenz entgegen.

Wenn wir uns dessen bewusst werden, dann könnte die Frage auftauchen, was ist das für ein Weg, welche Stationen hat er, wohin soll er führen, gibt es ein Ziel, gibt es etwas zu versäumen oder zu entdecken, gibt es Aufgaben zu erledigen oder Rätsel zu lösen?

Die Bewusstwerdung über den eigenen geistigen Weg beginnt, wenn du über deine Aufgaben und Ziele eine Vorstellung entwickelst. Der Weg wird dann zu einer spirituellen Erfahrung, wenn du merkst, dass du auf diesem Weg Frieden in dir und in deiner Mitwelt schaffst. Es ist die größte Herausforderung im Leben eines Menschen, einen guten Weg zu erkennen, die unausweichlichen Hindernisse zu überwinden und die verlockenden Wege, die in den Abgrund oder in die Irre führen, zu vermeiden.

Die meisten Menschen werden für diesen Prozess eine Hilfe brauchen, sei es durch eine traditionelle Lehre, Religion, Glaube, Philosophie oder LehrerInnen und Freundschaften. Das erspart dir jedoch nicht, dich zu fragen, was du aus den Erfahrungen, besonders den schmerzlichen, über deinen Weg lernen kannst. Diese aufrichtige Untersuchung ist bereits ein spiritueller Weg und unverzichtbar. Besonders hilfreich kann es sein, darüber zu meditieren, welche Wege du bereits in der Kindheit gegangen bist, aber später wieder vergessen hast. Jede überlieferte Lehre, so nützlich sie sein mag, muss durch den Filter deiner eigenen Erlebnisse geprüft und in Übereinstimmung mit dir gebracht werden. Ebenso solltest du herausfinden, welche der vorgeschlagenen Mittel und Methoden dir helfen und was du konkret üben sollst, um deinen Weg zu vollenden.

Nun möchte ich dir aus den Reden des Buddha über den ganzen Weg fünf Bereiche zeigen, die er für einen Weg, der zur inneren Freiheit führen soll, für bedeutsam hält.

1. Mache dir bewusst, dass dein Weg immer von Ursache und Wirkung bestimmt wird. Alles, was du denkst, redest und wie du handelst, bestimmt das, was dir später begegnen wird. Alles, was dir begegnet, ist eine Wirkung vergangener Taten. Wendest du diese „unbestreitbare Wahrheit“ an, so wird sie deinen Weg erhellen und dir helfen, die korrekte Richtung einzuhalten.

2. Mache dir bewusst, dass deine Existenz und alles von dir Wahrgenommene vom Gesetz der Vergänglichkeit bestimmt wird. Alles, was entstanden ist, muss wieder vergehen. Das ist kein Glaube, sondern eine nützliche Einstellung, die dich dazu führen soll, immer weniger an irgendetwas zu haften. Damit wirst du auch der größten Gefahr entgehen, nämlich auf deinem Weg hängenzubleiben und damit den Weg zu verlieren. Den ständigen Wandel zu begreifen führt zum Loslassen, zur Leichtigkeit und zu Freude, sogar zum fernen Ziel der inneren Unabhängigkeit.

3. Mache dir bewusst, dass ein spiritueller Weg, auch wenn er sehr klar beschrieben wird, keine geradlinige Autobahn ist. Irrtum, Versagen und tausend Umwege gehören dazu, denn nur so lernst du zu unterscheiden, was zielführend ist und was nicht. Es gehört dazu, dass wir oft unmotiviert sind, häufig blind und uns daher anstrengen müssen. Es gehört auch dazu, dass wir uns oft nur entspannen müssen, um zu erkennen, dass wir schon ein Teilziel erreicht haben. Der Buddha nennt das den „mittleren Weg“.

4. Es ist hilfreich, eine konkrete Orientierung zu haben, etwas wie eine Landkarte oder einen Kompass. Es ist erstaunlich, wie wenig wir in Kontakt mit der eigenen Weisheit sind, wie viele Menschen verführt werden, nicht heilsamen und Schaden bringenden Wegen zu folgen. Das Einhalten von grundlegenden Lebensregeln, wie Töten, Gewalt, Gier, Unterdrückung, Missbrauch, bewusstes Lügen, Hass und Drogen zu vermeiden, kann den Untergrund deines Weges festigen, so dass du beschwingt darauf weiterschreiten wirst.

3. Gedicht

Ein Schnellzug namens Krise
Ich glaube nicht, dass wir
aus dem Schnellzug namens Krise
noch aussteigen können.
Früher, als wir noch wenige waren,
hätten wir die Reise noch stoppen können
nun haben wir eine Grenze überschritten.
Keiner kann den Zug mehr bremsen,
er ist zu schnell geworden.
Einige sitzen gemütlich in der ersten Klasse,
schön warm und mit Unterhaltung,
viele stehen eng gedrängt,
hungern oder bringen sich gegenseitig um
für einen schönen Sitzplatz.
Aber die Katastrophen mehren sich,
Waggons brechen auseinander,
werden überflutet, brennen, explodieren.
Das hält den Zug nicht auf,
denn ständig entstehen neue
und rasen auf den gleichen Abgrund zu.
Wenige gibt es, die steigen nicht ein,
doch das wird sie und die andern
auch nicht retten.
Es müssten schon ganz viele sein,
nein, noch viel mehr,
die auf die ganze Bequemlichkeit verzichten
und wieder mühsam und friedlich
zu Fuß durch Wälder gehen
und unter Bäumen schlafen.
Diejenigen die in Zukunft überleben,
werden wieder von vorn beginnen müssen.
Die größten Reiche sind vergangen,
auch diese überdehnte Welt wird enden.
Es war nicht anders zu erwarten,
denn noch immer wachen wir nur auf,
wenn der Wahnsinn zu mächtig
und das Leiden zu übergroß wird.
Warum steigen wir nicht früher aus?